denken sie klein (alles neu)
Ausgangspunkt unseres im Frühjahr 2020 gestarteten neuen Themenschwerpunktes “We design UTOPIAS OF CHANGE for the 21st century to save our earth” ist im kommenden Wintersemester Lynn Margulis‘ Buch „Der symbiotische Planet“. Margulis beschreibt darin die andere Seite der Evolution. Noch immer wird die Evolution des Lebens auf unserem Planeten sehr einseitig auf die von Darwin beschriebenen Mechanismen von Mutation und Selektion im "Kampf ums Dasein" reduziert. In "Der symbiotische Planet" zeigt Lynn Margulis die andere Seite der Evolution auf und belegt, dass mehrzelliges, "höheres" Leben einst vor Milliarden Jahren nicht im Krieg aller gegen aller, sondern nur durch Kooperation und Symbiose der frühen Organismen entstand. Weil dies zwar nicht Charles Darwins Theorie, aber den neo-darwinistischen Vorstellungen von "egoistischen Genen" zuwiderlief, dauerte es Jahrzehnte, bis Lynn Margulis' Entdeckungen als Fakten anerkannt wurden.¹
Werden in der Biologie, so wie in vielen anderen Wissenschaften auch, die Paradigmen der Moderne gerade endgültig überwunden, so scheinen wir in der Architektur weiterhin Gefangene vergangener Jahrhunderte zu sein.
Das Interesse aller Beteiligten - die gesamte Bau und Immobilienbranche, Investoren aber auch Architektinnen, Nutzerinnen und Kommunen -ist an Neubauten ungebrochen hoch, wenn notwendig auch mit vorangestelltem Abbruch bestehender Bausubstanz. Umnutzungen gelten weiterhin als unrentabel und unattraktiv. In Deutschland werden jeden Tag 30 Hektar Boden neu versiegelt -das entspricht 45 Fußballfeldern. Der Wohnflächenbedarf hat sich in den letzten 47 Jahren von 20m² (1961) pro Person auf 47m² (2018) pro Person erhöht. Für beide Werte gilt steigende Tendenz. Viele der deutschen Haushalte können sich eine angemessene Wohnsituation, mit Nahversorgung für den täglichen Bedarf, funktionierender öffentlicher Verkehrsverbindung zum Arbeitsplatz und zu Bildungseinrichtungen, in den städtischen Ballungsräumen nicht mehr leisten. Der motorisierte Individualverkehr steigt weiterhin ungebremst. Wohnen als Grundrecht für die Spezies Mensch ist auch in Deutschland nicht mehr gesichert.
Doch weit mehr noch, das Überleben, nicht nur der Pflanzen und Tiere, sondern aller Lebewesen auf der Erde ist in größter Gefahr. Das von Margulis‘ in ihrer „Seriellen Endosymbiontentheorie“ beschriebene Verhalten, das allen Lebewesen über Milliarden Jahre erfolgreich zur Erhaltung und Weiterentwicklung verholfen hat -die Symbiose -wird vom Menschen seit Jahrtausenden, merkbar jedenfalls seit der industriellen Revolution, mutwillig missachtet.
Utopien der Veränderung
We design UTOPIAS OF CHANGE for the 21st century to save our earth. Das Verleugnen der Explosion der Ungleichheiten und der Klimasituation sind ein und dasselbe Phänomen.² CHANGE! Mit diesem Appell baut Graeme Maxton eine Brücke in die nahe Zukunft und erklärt in erschreckend eindringlichen Worten WARUM WIR EINE RADIKALE WENDE BRAUCHEN. Der ehemalige Generalsekretär des Club of Rome³ stellt die Frage, was wir jetzt tun müssen damit unsere Kinder und Enkelkinder und wir selbst weiterhin noch gut auf dieser Erde leben können? Was kann jeder Einzelne von uns beitragen, um eine Wende zu ermöglichen und für eine nachhaltige Welt zu sorgen? Seine Antwort ist, leider nicht viel. Vegan zu leben, Flaschen und Plastik zum Recycling zu bringen, kein eigenes Auto mehr zu haben, den Zug zu nehmen statt des Flugzeugs und Energie zu sparen, wann und wo immer das möglich ist –all das ist natürlich hilfreich. Aber am aktuellen Schicksal der Menschheit wird sich nichts ändern, sofern nicht radikale Umstellungen in einem viel Größerem Ausmaß erfolgen.⁴
DIE PARTY IST VORBEI! Wir stehen am Wendepunkt des 21. Jahrhunderts. Hier entscheidet sich unsere Zukunft. Kein Hollywood Held wird uns retten. WIR müssen handeln. JETZT!⁴ Was können wir als Architektinnen und Architekten zu dieser Wende beitragen? Re- und Upcycling, Passivhausstandard, Solarthermie, Windenergie, Biophotosynthese, von begrünten Dächern und Fassaden, die Verwendung von natürlichen, erneuerbaren und regionalen Ressourcen und Baumaterialien wie Holz und Lehm u.d.gl. auch in Verbindung mit computergestützten Fertigungsmethoden, Organisationsformen wie Mitbestimmung, Baugruppe, Bausyndikat oder Bau-Genossenschaften sind ein Schritt aber leider zu wenig um das Leben auf der Erde zu retten.
Die gegenwärtig meist marktwirtschaftlich besetzte Entwicklungshilfe u.a. mit Infrastruktur -und Siedlungsprogrammen im „Armen Globalen Süden“ ist dabei ähnlich umweltzerstörerisch wie beinahe alle aktuellen Raumplanungs-, Stadterweiterungs- und Bauprojekte des „Reichen Globalen Nordens“. Nicht nur die Volkswirtschaftslehre gehört grundlegend reformiert, indem die Disziplin abgeschafft oder komplett umgekrempelt wird sondern auch unsere Disziplin, die Architektur. Wir müssen radikal umdenken und wir müssen dringend handeln.
Im Sommersemester 2020 starteten wir „JETZT und GEMEINSAM“ mit unserem Entwurf „DENKEN SIE GROSS“, den wir im kommenden Wintersemester 2020/2021 mit „denken sie klein“ fortsetzen. In den Lehrveranstaltungen schauen wir jeweils auf unterschiedliche Aspekte der Utopien der Moderne des 20. Jahrhunderts, auf die Sozialutopisten Anfang des 19. Jahrhunderts und noch viel weiter zurück, bis ins Jahr 1516 zu Thomas Morus und seinem Roman „Utopia“, der diesen Begriff für die nachfolgenden Jahrhunderte geprägt hat. Wir beschäftigen uns mit zeitgemäßen philosophischen Werken und mit dem Stand der Wissenschaften in den Disziplinen Biologie, Physik, Wirtschaft als auch mit den Themen wie Klima und Migration. Wir werden lesen, schreiben und diskutieren, untereinander und mit interessanten Gästen aus dem In-und Ausland, via Onlinekonferenzen, im Atelier, in der Stadt, am Land, in der Luft und auf dem Wasser, und wir werden all das dokumentieren und kommunizieren, mit alten und mit neuen Medien UND WIR WERDEN ENTWERFEN. Wir werden nachmoderne UTOPIEN skizzieren, die erste architektonische Antworten auf die neue geo-soziale Frage des 21. Jahrhundert geben sollen. Dabei orientieren wir uns an zukunftsweisenden Gesellschaftsmodellen und hinterfragen kritisch überkommene Unterscheidungen wie links und rechts, fortschrittlich und reaktionär, global und lokal.
Auf Basis unserer Recherchen sollen gegen Ende des Semesters IDEEN ZU PERSÖNLICHEN ARCHITEKTURVISIONEN, in unterschiedlichsten Dimensionen und Maßstäben, über das Teilen einer gemeinsamen, ökologisch stabilen Erde entstehen, die die modernistische Trennung in Natur-, Agrar -und Siedlungsräume überwinden.
1 Lynn Margulis, Der Symbiotische Planet, (offizielle Kurzbeschreibung des Buches lt. Westend Verlag), 2018
2 Bruno Latour, Das terrestrische Manifest, 2018
3 Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von Experten verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern und wurde 1968 gegründet. Die gemeinnützige Organisation setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Mit dem 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ erlangte er große weltweite Beachtung. Seitdem kämpft der Club of Rome für nachhaltige Entwicklung und setzt sich für den Schutz von Ökosystemen ein. (https://de.wikipedia.org/wiki/Club_of_Rome, 13.01.2020)
4 Graeme Maxton, CHANGE! Warum wir eine radikale Wende brauchen, 2018
denken sie klein (alles neu)
Ausgangspunkt unseres im Frühjahr 2020 gestarteten neuen Themenschwerpunktes “We design UTOPIAS OF CHANGE for the 21st century to save our earth” ist im kommenden Wintersemester Lynn Margulis‘ Buch „Der symbiotische Planet“. Margulis beschreibt darin die andere Seite der Evolution. Noch immer wird die Evolution des Lebens auf unserem Planeten sehr einseitig auf die von Darwin beschriebenen Mechanismen von Mutation und Selektion im "Kampf ums Dasein" reduziert. In "Der symbiotische Planet" zeigt Lynn Margulis die andere Seite der Evolution auf und belegt, dass mehrzelliges, "höheres" Leben einst vor Milliarden Jahren nicht im Krieg aller gegen aller, sondern nur durch Kooperation und Symbiose der frühen Organismen entstand. Weil dies zwar nicht Charles Darwins Theorie, aber den neo-darwinistischen Vorstellungen von "egoistischen Genen" zuwiderlief, dauerte es Jahrzehnte, bis Lynn Margulis' Entdeckungen als Fakten anerkannt wurden.¹
Werden in der Biologie, so wie in vielen anderen Wissenschaften auch, die Paradigmen der Moderne gerade endgültig überwunden, so scheinen wir in der Architektur weiterhin Gefangene vergangener Jahrhunderte zu sein.
Das Interesse aller Beteiligten - die gesamte Bau und Immobilienbranche, Investoren aber auch Architektinnen, Nutzerinnen und Kommunen -ist an Neubauten ungebrochen hoch, wenn notwendig auch mit vorangestelltem Abbruch bestehender Bausubstanz. Umnutzungen gelten weiterhin als unrentabel und unattraktiv. In Deutschland werden jeden Tag 30 Hektar Boden neu versiegelt -das entspricht 45 Fußballfeldern. Der Wohnflächenbedarf hat sich in den letzten 47 Jahren von 20m² (1961) pro Person auf 47m² (2018) pro Person erhöht. Für beide Werte gilt steigende Tendenz. Viele der deutschen Haushalte können sich eine angemessene Wohnsituation, mit Nahversorgung für den täglichen Bedarf, funktionierender öffentlicher Verkehrsverbindung zum Arbeitsplatz und zu Bildungseinrichtungen, in den städtischen Ballungsräumen nicht mehr leisten. Der motorisierte Individualverkehr steigt weiterhin ungebremst. Wohnen als Grundrecht für die Spezies Mensch ist auch in Deutschland nicht mehr gesichert.
Doch weit mehr noch, das Überleben, nicht nur der Pflanzen und Tiere, sondern aller Lebewesen auf der Erde ist in größter Gefahr. Das von Margulis‘ in ihrer „Seriellen Endosymbiontentheorie“ beschriebene Verhalten, das allen Lebewesen über Milliarden Jahre erfolgreich zur Erhaltung und Weiterentwicklung verholfen hat -die Symbiose -wird vom Menschen seit Jahrtausenden, merkbar jedenfalls seit der industriellen Revolution, mutwillig missachtet.
Utopien der Veränderung
We design UTOPIAS OF CHANGE for the 21st century to save our earth. Das Verleugnen der Explosion der Ungleichheiten und der Klimasituation sind ein und dasselbe Phänomen.² CHANGE! Mit diesem Appell baut Graeme Maxton eine Brücke in die nahe Zukunft und erklärt in erschreckend eindringlichen Worten WARUM WIR EINE RADIKALE WENDE BRAUCHEN. Der ehemalige Generalsekretär des Club of Rome³ stellt die Frage, was wir jetzt tun müssen damit unsere Kinder und Enkelkinder und wir selbst weiterhin noch gut auf dieser Erde leben können? Was kann jeder Einzelne von uns beitragen, um eine Wende zu ermöglichen und für eine nachhaltige Welt zu sorgen? Seine Antwort ist, leider nicht viel. Vegan zu leben, Flaschen und Plastik zum Recycling zu bringen, kein eigenes Auto mehr zu haben, den Zug zu nehmen statt des Flugzeugs und Energie zu sparen, wann und wo immer das möglich ist –all das ist natürlich hilfreich. Aber am aktuellen Schicksal der Menschheit wird sich nichts ändern, sofern nicht radikale Umstellungen in einem viel Größerem Ausmaß erfolgen.⁴
DIE PARTY IST VORBEI! Wir stehen am Wendepunkt des 21. Jahrhunderts. Hier entscheidet sich unsere Zukunft. Kein Hollywood Held wird uns retten. WIR müssen handeln. JETZT!⁴ Was können wir als Architektinnen und Architekten zu dieser Wende beitragen? Re- und Upcycling, Passivhausstandard, Solarthermie, Windenergie, Biophotosynthese, von begrünten Dächern und Fassaden, die Verwendung von natürlichen, erneuerbaren und regionalen Ressourcen und Baumaterialien wie Holz und Lehm u.d.gl. auch in Verbindung mit computergestützten Fertigungsmethoden, Organisationsformen wie Mitbestimmung, Baugruppe, Bausyndikat oder Bau-Genossenschaften sind ein Schritt aber leider zu wenig um das Leben auf der Erde zu retten.
Die gegenwärtig meist marktwirtschaftlich besetzte Entwicklungshilfe u.a. mit Infrastruktur -und Siedlungsprogrammen im „Armen Globalen Süden“ ist dabei ähnlich umweltzerstörerisch wie beinahe alle aktuellen Raumplanungs-, Stadterweiterungs- und Bauprojekte des „Reichen Globalen Nordens“. Nicht nur die Volkswirtschaftslehre gehört grundlegend reformiert, indem die Disziplin abgeschafft oder komplett umgekrempelt wird sondern auch unsere Disziplin, die Architektur. Wir müssen radikal umdenken und wir müssen dringend handeln.
Im Sommersemester 2020 starteten wir „JETZT und GEMEINSAM“ mit unserem Entwurf „DENKEN SIE GROSS“, den wir im kommenden Wintersemester 2020/2021 mit „denken sie klein“ fortsetzen. In den Lehrveranstaltungen schauen wir jeweils auf unterschiedliche Aspekte der Utopien der Moderne des 20. Jahrhunderts, auf die Sozialutopisten Anfang des 19. Jahrhunderts und noch viel weiter zurück, bis ins Jahr 1516 zu Thomas Morus und seinem Roman „Utopia“, der diesen Begriff für die nachfolgenden Jahrhunderte geprägt hat. Wir beschäftigen uns mit zeitgemäßen philosophischen Werken und mit dem Stand der Wissenschaften in den Disziplinen Biologie, Physik, Wirtschaft als auch mit den Themen wie Klima und Migration. Wir werden lesen, schreiben und diskutieren, untereinander und mit interessanten Gästen aus dem In-und Ausland, via Onlinekonferenzen, im Atelier, in der Stadt, am Land, in der Luft und auf dem Wasser, und wir werden all das dokumentieren und kommunizieren, mit alten und mit neuen Medien UND WIR WERDEN ENTWERFEN. Wir werden nachmoderne UTOPIEN skizzieren, die erste architektonische Antworten auf die neue geo-soziale Frage des 21. Jahrhundert geben sollen. Dabei orientieren wir uns an zukunftsweisenden Gesellschaftsmodellen und hinterfragen kritisch überkommene Unterscheidungen wie links und rechts, fortschrittlich und reaktionär, global und lokal.
Auf Basis unserer Recherchen sollen gegen Ende des Semesters IDEEN ZU PERSÖNLICHEN ARCHITEKTURVISIONEN, in unterschiedlichsten Dimensionen und Maßstäben, über das Teilen einer gemeinsamen, ökologisch stabilen Erde entstehen, die die modernistische Trennung in Natur-, Agrar -und Siedlungsräume überwinden.
1 Lynn Margulis, Der Symbiotische Planet, (offizielle Kurzbeschreibung des Buches lt. Westend Verlag), 2018
2 Bruno Latour, Das terrestrische Manifest, 2018
3 Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von Experten verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern und wurde 1968 gegründet. Die gemeinnützige Organisation setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Mit dem 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ erlangte er große weltweite Beachtung. Seitdem kämpft der Club of Rome für nachhaltige Entwicklung und setzt sich für den Schutz von Ökosystemen ein. (https://de.wikipedia.org/wiki/Club_of_Rome, 13.01.2020)
4 Graeme Maxton, CHANGE! Warum wir eine radikale Wende brauchen, 2018